Der Weihnachtsmann erobert Jerusalem

Jerusalem ist wohl einer der schönsten Orte um Weihnachten zu feiern. Das ist mir seit meiner ersten Begegnung mit der Jahrtausend alten „Schicksalsstätte Jesus Christus“ schon immer klar. Denn nicht nur für die Christen, sondern auch für Juden und Muslime ist sie die Heilige Stadt.

Nur gab es da bis vor kurzem ein „Problem“. Wie sollen die Kinder fröhlich Weihnachten feiern, wenn der unentbehrliche Überbringer der Geschenke fehlt – der Weihnachtsmann?

Nun scheint, ist die uralte Geschichte Jerusalems um ein neues Kapitel erweitert worden zu sein. Denn jetzt ist er hier – und zwar mit festem Wohnsitz – der Weihnachtsmann.

Auf der Suche nach dem Weihnachtsmann

Das ARD-Team und ich sind inmitten der Adventszeit aufgebrochen, um diese Meldung zu überprüfen. Offiziell „diplomiert“ sei der große freundliche Mann im roten Gewand und ein uraltes eigenes sagenumwobenes Haus soll er haben. „Oh, davon gibt es weltweit nun wirklich nicht viele“, dachte ich, „cool, mal gucken, ob wir es finden und ob wir dort die Antworten auf unsere Fragen bekommen: Wie ist der Weihnachtsmann überhaupt nach Israel gekommen, und, ist er denn wirklich „der echte“ Weihnachtsmann?“

Am 14. Dezember reisen wir nach Jerusalem und geraten inmitten einer riesigen Weihnachtsfeier.  Tausende Christen haben sich am Abend am „Neuen Tor“ der Altstadt versammelt, um die „Erleuchtung“ eines riesigen Tannenbaumes zu begehen. Eine noch junge Tradition, aber die festliche Stimmung und die Freude über die Adventszeit ist hier inmitten der singenden und feiernden Masse fast mit den Händen zu greifen. Rund 15.000 Christen leben in der „Heiligen Stadt“.

Unter dem roten Gewand steckt ein arabischer Christ

Und da taucht er plötzlich auf, der Mann mit weissem Rauschebart und rotem Gewand, der Weihnachtsmann. „Hohoho – Merry Christmas“ ruft er, hebt die Arme immer wieder zum Gruße in die Luft, verteilt Geschenke an Kinder und Erwachsene. Fast alle Christen hier staunen über den so auffällig rot gekleideten Mann. Die Kinder wollen ihn anfassen oder staunen nur mit offenen Mündern. Groß und kräftig ist der Weihnachtsmann. Gerüchte sagen, dass unter dem Gewand ein arabischer Christ namens Issa stecken würde – Issa, das heisst „Jesus“. Und als Ex-Profi-Basketballer trainiere Issa in seinem zivilem Leben eine Jugendmannschaft, um sein täglich Brot zu verdienen.

Als der Tannenbaum im christlichen Viertel endlich festlich leuchtet und der fröhlich laute Trubel langsam abnimmt, will ich mir den Weihnachtsmann schnappen, um ihn über Herkunft, Wirken und seine „Echtheit“ zu befragen. Aber, ich sehe in der Ferne nur noch eine rote Mütze mit wedelndem weissem Bommel in den schmalen Gassen des christlichen Viertels verschwinden. Da hatte es aber einer sehr eilig….

„Wo ist er hin?“, fragen wir die christlichen Besucher vor Ort. Zu unserer Überraschung weiss jeder sofort, wen wir meinen und wohin dieser nach Jerusalemer Maßstäben so „verrückt“ gekleidete Mann entschwunden ist: in sein uraltes Weihnachtsmann-Haus natürlich. Er habe dort mächtig zu tun.

Das Jerusalemer Haus des Weihnachtsmanns

Nach nur wenigen Minuten habe wir das Ende der richtigen Gasse erreicht und erleben eine große Überraschung: hunderte Menschen, alte wie junge und dazu verschiedenen Glaubens, warten in einer langen Schlange vor einem alten Steinhaus mit einem festlich geschmückten Eingang. Ja, da ist es, das sagenumwobene „Santa Claus“ Haus – es gibt dies also tatsächlich. Und all die Menschen wollen mit ihren Kindern zum Weihnachtsmann, um sich den weihnachtlichen Segen und auch Geschenke für die Kleinsten abzuholen. Viele sind zugewanderte orthodoxe Christen oder Juden aus Osteuropa, die nun als israelische Bürger auch hier ihre alte Weihnachtstradition leben möchten.

Und die Kinder sind begeistert: „Wir warten hier auf den Weihnachtsmann“. „Und warum?“ fragen wir. „Wir möchten unbedingt sein Haus sehen!“ „Es ist doch wunderschön“, ergänzt ein Erwachsener. „Er gibt uns allen Frieden und ein festliches Gefühl“.

Vor seinem Haus hat der Weihnachtsmann wirklich an alles gedacht. Da gibt es zum Beispiel einen Briefkasten – da können die Kinder Ihre Wunschzettel hineinwerfen. Und auf der anderen Seite des Eingangs, sieht man verschiedene Süßigkeiten für die Kinder, die sie kaufen können, Plätzchen und daneben auch kleine Kuchen. Und selbst ein Jerusalemer Glühwein wird ausgeschenkt. Nur für die Erwachsenen, so erfahre ich, denn als ich diesen probiere stelle ich fest: da ist tatsächlich Alkohol drin!

Der Weihnachtsmann und die glücklichen Kinder

Schließlich erreichen auch wir das Innere des märchenhaften Ortes – und werden empfangen von einem Weihnachtsmann-Profi.
Mit einem kräftigen „Hohoho“ werden wir begrüßt und dürfen mit der Kamera begleiten, wie der Weihnachtsmann im Minutentakt die vielen Kinder empfängt und sie mit lieben oder lobenden Worten wie auch mit kleinen Geschenken glücklich macht.
Freundliche Worte, Aufmunterungen oder auch Ermahnungen …. und das über viele Wochen jeden Tag bis zur Weihnacht der armenischen Christen im Januar –  das ist für den Weihnachtsmann hier auch ein harter Job.
 
„Liebe und Frieden für das Heilige Land. Das ist die Botschaft für die Kinder“, sagt der Stellvertreter des „Santa Claus“ zu uns. Wir bekommen von ihm auch bestätigt, dass der „schenkende ehrwürdige Mann“ mit bürgerlichem Namen Issa Kassissieh heisst, hier im elterlichen Haus lebt und wirkt und erst im März 2019 von einer US-amerikanischen Weihnachtsmann-Union zum „einzigen Vertreter des Santa Claus im Heiligen Land“ gekürt worden ist.

Weihnachtsmann per Diplom

Wie man das schaffe, frage ich. „Mit verschiedenen Aus- und Fortbildungs-Diplomen“, so der Weihnachtsmann. „Wir lernen mit Kinder umzugehen, testen Spielzeuge und lernen Kuchen wie Kekse zu backen“. Issa war mehrmals in den USA, um die Qualifizierung und das Diplom für den Weihnachtsmann-Job zu erlangen.
 
Eine riesige „Donation-Box/ Spendenschachtel“ steht gleich neben dem Thron des Weihnachtsmannes, denn Geld für seine Arbeit nimmt er nicht, doch freut er sich über jede finanzielle Unterstützung. Und ein Fotograf schießt professionelle Fotos von Kindern, die man kaufen kann. Auch die Kekse und der Glühwein vor dem Haus kosten ein wenig. Viel Geld verdienen läßt sich damit nicht, aber es hilft, die Dienste des Weihnachtsmannes am Leben zu erhalten.
Manchmal wird in der „Heiligen Stadt“ der drei Religionen über diese Art von Weihnachtsmann geschimpft – doch insgesamt scheint er akzeptiert und sein friedliches Wirken in der Weihnachtszeit erwünscht.

Mein weihnachtliches „Benimm-Zertifikat“

Der Weihnachtsmann darf übrigens loben und tadeln. Er stellt sogenannte „Benimm-Zertifikate“ für Kinder und Erwachsene für das abgelaufene Jahr aus. Als ich die Liste sehe, suche ich auf Ihr auch meinen Namen. Da müsste doch auch mein Name stehen …  oder doch nicht…wo ist er denn nur ? Wie durch ein „Wunder“, nachdem ich etwas Geld gespendet habe, taucht dann auch mein Name auf der Liste auf. Na also, klar doch – auch ich habe ein  gutes Zeugnis vom Jerusalemer Weihnachtsmann bekommen.